Tour gegen Gewalt

„Berichte über Gewalt“ so kündigt ein Plakat im Schulgebäude eine Veranstaltung besonderer Art an. Die Agentur „Mensch-aber wie?!“ hat fünf Menschen für eine Podiumsdiskussion in den Gemeindesaal mitgebracht, die in verschiedener Art und Weise mit Gewalt in Berührung gekommen sind und ihre Erfahrungen schildern.

Klaus Lützek ist Neonazi und berichtet, dass es zu seinen Bewährungsauflagen gehörte, an der Podiumsdiskussion zum Thema Gewalt teilzunehmen. Er erzählt, wie er damals „den Asiatenladen plattgemacht“ hat, und wie seine „Kameraden“ ihm dabei halfen. Der Besitzer des Ladens wurde dabei schwer verletzt. Den Gegenpol zu Klaus Lützek stellt Richard Solomon dar. „Um sein Recht zu bekommen, ist Gewalt ein notwendiges Mittel. Ohne Gewalt keine Menschen, ohne Menschen keine Gewalt“, ruft Richard lautstark. Gleichzeitig erzählt er, dass sein Freund von Neonazis brutal zusammengeschlagen wurde und seither auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Neben Klaus Lützek und Richard Solomon sitzen drei weitere Personen, die mit ihren Geschichten aufzeigen, dass Gewalt noch andere Facetten haben kann: Nicole, die eine Mitschülerin so lange mobbte, bis diese aus dem Fenster sprang. Der Lehrer Herr Baumann, der vom Schulalltag gefrustet und von Schülern genervt, aus Verzweiflung einen Schüler verprügelte. Frau Wollschläger, die eine Vergewaltigung verhinderte und dabei selbst zum Opfer von körperlicher Gewalt wurde.

Die kontroverse und oft provokante Berichterstattung ruft bei unseren Schülern der Klassen 8 bis 10 unmittelbar emotionale Reaktionen hervor. Die hitzigen Wortgefechte zwischen Klaus Lützek und Richard Solomon irritieren und erschrecken. Plötzlich ist man mittendrin, empfindet Sympathie oder Mitleid, Abneigung, Angst oder Wut gegenüber den Personen, die vorne von ihren eigenen Gewalterfahrungen berichten.

Bis zu diesem Zeitpunkt ahnt noch keiner im Saal - außer wenigen, die zwischenzeitlich Lunte gerochen haben-, dass die Wortgefechte nur gespielt sind. Lützek und all die anderen Personen sind Schauspieler am „Theatertill“, ein politisches Kinder- und Jugendtheater aus Meerbusch. Die fünf Geschichten sind jedoch nicht erfunden, sondern reale Fälle und genauso in Deutschland passiert. Die wahren Identitäten werden erst am Ende, nach einer Befragungsrunde und einer Bewertung der Protagonisten durch unsere Schüler und Schülerinnen, enthüllt. Erleichterung macht sich nach der Auflösung im Raum breit. Die direkte Konfrontation hinterlässt Spuren. Auf der anschließenden Hofpause oder den stattfindenden Auswertungsgesprächen in den einzelnen Klassen regt die Veranstaltung zum Nachdenken an- über Mobbing, über Gewalt, über Toleranz und nicht zuletzt über sich selbst.

S.St.